Keinen Schlusspunkt setzen

Es war ein langer Weg vom „Unaussprechlichen“ bis hin zu einer erfreulich weitverbreiteten Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in unserer Stadtgesellschaft

Dr. Stephan Keller

„Ein seltsam klassisches Denkmal“ ist am Düsseldorfer Rheinufer entstanden. Das von Claus Richter gestaltete und von ihm so benannte Kunstwerk ist der Kern des zentralen neuen „Ortes für die Erinnerung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ in unserer Stadt. Die Figurengruppe, in heldenhafter Pose vereint und aus den aus klassischen Denkmälern bekannten Materialien gefertigt, soll dem Gedenken der Opfer von Intoleranz und Verfolgung Raum geben. Gleichzeitig soll von diesem Kunstwerk im öffentlichen Raum ein Impuls für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ausgehen.

„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“, heißt es beim „Klassiker“ Johann Wolfgang von Goethe – und lange, viel zu lange, wurde in unserer Gesellschaft geschwiegen über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, wurden Menschen, die vermeintlichen geschlechtlichen Normen nicht entsprachen, ausgegrenzt und verfolgt. Ganz besonders in der Zeit des Nationalsozialismus wurden etwa Schwule und Lesben – auch in Düsseldorf – verfolgt und inhaftiert, gefoltert und ermordet. Auch danach, in der Bundesrepublik, kam ihre rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Anerkennung nur langsam voran.

Es war ein langer Weg vom „Unaussprechlichen“ bis hin zu einer weitgehenden und erfreulich weitverbreiteten Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in unserer Stadtgesellschaft. Düsseldorf gilt heute als eine offene, tolerante und diverse Stadt, in der es Unaussprechliches nicht mehr geben sollte und nicht mehr geben darf – auch das soll der aus städtischen Mitteln finanzierte Gedenkort an einem der prominentesten Orte Düsseldorfs unterstreichen. Dennoch setzen wir mit dem Denkmal keinen Schlusspunkt – denn auch heute noch werden Menschen Opfer von Intoleranz und Diskriminierung, leider hier in Düsseldorf und bedauerlicherweise auch anderswo in der Welt.

Deshalb mag die klassisch-kämpferische Pose der Figurengruppe einige Strahlkraft entwickeln und dazu ermuntern, sich ihrem Protest und ihren Zielen anzuschließen. So sind die Figuren des Denkmals zwar keine Abbilder, aber sie können als Vorbilder betrachtet werden. Und jene, die sich für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt eingesetzt haben – trotz aller Herausforderungen, trotz Hass und Diskriminierung, die sie möglicherweise erfahren haben –, mögen sich in den Figuren wiedererkennen. Mein Dank gilt denn auch denjenigen, die sich, teils über viele Jahre, für Offenheit und Gemeinschaft, gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Unterdrückung in Düsseldorf eingesetzt haben und noch immer einsetzen. Und ich danke allen, die zur Errichtung dieses Denkmals sehr engagiert beigetragen haben: Dem Forum Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*Gruppen, der Kunstkommission, der Jury und dem Künstler Claus Richter.

Nicht weit entfernt von dem Ort, an dem sich in fast jedem Jahr das Geschehen des CSD-Straßenfestes abspielt, wurde das neue Denkmal, eingebettet in den CSD Düsseldorf 2021, enthüllt. Ich hoffe, viele machen sich auch abseits des „Pride“ bewusst auf den Weg zu diesem Gedenkort.

 

Dr. Stephan Keller ist Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf

 

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